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„Jeder Mensch muss im Leben einmal falsch abgebogen sein.“

Betsy Peymann mit Friederike von hierbleiben. im Interview

Warum das Leben zu kurz ist, um unglücklich im Job zu sein und wieso du deine Comfort Zone verlassen solltest.

Was dich in diesem Artikel erwartet:
  • jede Menge aha-Momente
  • ehrliche Antworten auf wichtige Fragen von jemandem mit Berufserfahrung
  • Motivation und Mut zum eigenen Handeln

Dienstag, 12. April. Endlich scheint die Sonne, die Vögel zwitschern und der Frühling kündigt sich langsam an. 10 Uhr: Betsy ruft an. Ich gebe zu: Ich bin ein bisschen aufgeregt. Wir quatschen über dies und das und starten mit dem Interview.

Betsy Peymann, eigentlich Elisabeth Peymann (29) aus Celle gründete 2018 ihre eigene Firma. 2019 eröffnete sie ihren Concept-Store „Betsy Peymann“ auf dem Breiten Weg in Magdeburg. Dort dürfen Kund:innen in ruhiger Atmosphäre nachhaltige und fair produzierte Mode shoppen und sich für einen Kaffee in das Laden-Cafe setzen. Die junge Gründerin hat sich zur Unterstützung ein starkes Frauenteam zusammengestellt. Studiert hat Betsy BWL an der Hochschule Magdeburg-Stendal.

Aber welche Erfahrungen hat Betsy vorher eigentlich in Angestelltenverhältnissen gemacht? Ich frage mich: Hatte sie keine Angst davor, in der Berufswelt zu scheitern?

„Ich habe in einem Job schon mal total an mir gezweifelt und irgendwann die Reißleine gezogen“, erzählt sie mir, als sei es das Normalste auf der Welt. Sie weiß genau, wie sich vor allem Student:innen nach dem Abschluss fühlen. Da denken die meisten, man müsse sich ab sofort glänzend präsentieren können, denn man hat ja schließlich studiert. Man will zeigen, dass man etwas gelernt hat. „Du kannst nicht direkt 100% liefern und diese Erkenntnis hat bei mir ganz schön lange auf sich warten lassen“, erzählt die 29-jährige. Jede:r sollte verstehen, dass es unrealistisch ist, im Job genau das zu praktizieren, was man im Studium gelernt hat. Es darf sich auch Zeit genommen werden, um sich in der neuen Firma einzuleben und Neues zu lernen, anstatt direkt zu verzweifeln.

Wenn du eine Berufung verfolgst, die dir Spaß macht, dann wirst du nie wieder arbeiten müssen.

„Falsch.“, sagt Betsy. „Ich mache jeden Tag das, wofür ich brenne, trotzdem bin ich nur ein Mensch und brauche manchmal Urlaub.“ Ich atme durch. Das nimmt mir tatsächlich eine Menge Druck, schließlich sind wir alle auch nur Menschen und keine Maschinen.

Es ist so wichtig, dass man dort ist, wo man Freude empfindet. Doch dieser Weg ist leider weniger leicht, als es sich die meisten vielleicht wünschen. Wichtig auf der Journey: Der Mut, Entscheidungen für sich selbst zu treffen.

Ich halte inne. Wie soll das umsetzbar sein bei den vielen Möglichkeiten, die sich vor allem jungen Menschen heutzutage bieten? Was, wenn sich an der nächsten Ecke ein noch besserer Job findet als der, den ich vielleicht gerade ausübe? Betsy lacht. Sie versteht meine Gedanken und hat direkt drei Überlebenstipps für Newbies in der Jobwelt parat:

  1. Kenne deine eigenen Werte und steh für dich ein – auch bei Fehlern und Erfolgen!
  2. Halte durch!
  3. Sei reflektiert! Das ist auf sozialer und fachlicher Ebene ein ganz wichtiger Faktor, damit man Dinge und Situationen nicht falsch einschätzt.

Oft folgt auf die anfängliche Euphorie im neuen Job eine Phase der Unsicherheit. Wichtig ist, dass man genau dann nicht direkt in die nächste Tätigkeit wechselt, sondern sich auf das neue Umfeld einlässt und nichts überstürzt. Oft entsteht viel zu viel Fluktuation durch zu hohe Erwartungshaltungen.

„Das heißt aber nicht, dass ich mir alles gefallen lasse. Ich würde nie wieder einen 14-Stunden-Job machen und am Wochenende arbeiten, nur um im Büro Eindruck zu schinden.“, so Betsy.

Das (Job-) Leben ist ein Geben und Nehmen

Also gut, gehen wir einfach davon aus, dass all diese Dinge von Arbeitnehmer:innen umgesetzt werden. Dann sind da ja immer noch die Arbeitgeber:innen. Haben die nicht auch eine Verantwortung für mein Wohlbefinden am Arbeitsplatz?

Da sind sich Betsy und ich einig. Ja, diese Verantwortung haben sie. Ein gutes Beispiel findet sich hier beim Thema Transparenz. Stellenausschreibungen sollten überarbeitet und so formuliert werden, dass die Bewerber:innen konkret wissen, was sie im Interview und im Job erwartet. Weicht das Bewerbungsgespräch und die Tätigkeit weit ab von der eigentlichen Ausschreibung, ist der Rückschluss der Arbeitnehmer:innen schnell: Oh Gott, kann ich das überhaupt? Dabei muss das gar nicht sein, denn erstens liegt der Fehler dann nicht bei den Bewerber:innen und zweitens gibt es so viele Möglichkeiten, den Bewerbungsprozess einfacher sowie fair zu gestalten. Anstelle von Standardformaten darf gerne auch auf moderne Mittel ausgewichen werden. Das hängt natürlich immer von der jeweiligen Zielgruppe und Branche ab. Spielraum nutzen ist hier der key factor. Wenn ich als Unternehmen den Bewerber:innen ganz offen darlege, was sie im Job erwartet, dann erreichen mich im besten Fall auch qualifizierte Bewerbungen, die auf die Stelle passen. Win-Win! Checkt auf jeden Fall vorher immer das Unternehmen, stellt Fragen und denkt daran, dass sich sowohl ihr, als auch die Unternehmen vorstellen.

Fun Fact: Wusstet ihr, dass eine weltweit bekannte Fast-Food Kette vor einiger Zeit neue Mitarbeiter:innen über Snapchat gesucht hat?

30 Minuten sind rum und in meinem Kopf ploppen immer mehr Fragen auf, die ich Betsy gerne stellen möchte.

Wie schafft sie das trotz Selbstständigkeit, Baby und Pandemie so eine Selbstsicherheit auszustrahlen? Ganz einfach oder vielleicht einfacher gesagt als getan: Sie lässt Veränderung zu und hat ihre Komfortzone verlassen.

Man lernt nie aus.

„Also pass auf – Selbstzweifel blockieren meine Kreativität. Trotzdem habe ich in den vergangenen Pandemiejahren voller Zweifel gelernt, wie viel ich eigentlich kann! Oft stellt man sich (und das betrifft insbesondere Frauen) unter den Scheffel und das völlig zu Unrecht. Irgendwann bin ich einfach in die Autorität reingewachsen und selbst wenn der Laden nicht mehr wäre, dann wüsste ich, dass ich so viel mehr kann, als ich am Anfang von mir gedacht hätte.“, so Betsy.

Die besondere Corona-Situation hat erfordert, dass die 29-jährige ins Handeln kommt. Dafür musste sie raus aus ihrer Komfortzone – ohne Ausreden. Das kann zwar beängstigend, aber auch wahnsinnig spannend und bereichernd sein! So hat sie in einer Nacht einen kompletten Online-Shop aufgesetzt und dabei auch viel über sich als Geschäftsführerin gelernt. Ganz unter dem Motto: Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen!

Tell me more!

Jetzt will ich es aber wissen: Wie ist das wohl so für Betsy Peyman zu arbeiten? Für mich steht sie schon jetzt repräsentativ für viele Arbeitgeber:innen im schönen Sachsen-Anhalt. Ich habe Glück und erhasche ein paar Einblicke in Betsys Leben als Geschäftsfrau.

„Wir hatten vor Kurzem Teamabend. Da habe ich mich hingestellt und gesagt, dass ich von meinen Ladies erwarte, dass sie voll dabei sind – mit Engagement und Motivation. Ich möchte, dass meine Mitarbeiter:innen mitdenken und motiviert sind. Dafür bin natürlich auch ich als Chefin in Teilen verantwortlich. Ich biete meinem Team ein wirklich gutes surrounding mit positivem Arbeitsklima und das will ich auch so. Dafür erwarte ich aber auch vollen Einsatz. In früheren Jobs hat es mich immer wahnsinnig gemacht, wenn es im Team Disharmonien gab, die von der Führungsebene hätten geklärt werden können. Deshalb ist Feedback und Wertschätzung auch so ein wichtiger Teil in meiner Unternehmenskultur. Gerade im Einzelhandel ist Professionalität im Umgang mit Kund:innen einfach unheimlich wichtig. Trotzdem steht jeder Person im Team die Tür bei mir jederzeit offen.“

Anstatt Persönliches an Kund:innen herauszulassen, kann ganz offen mit Betsy gesprochen werden. Es wird keinen guten Output im Tagesgeschäft geben, wenn jemand seelisch mal nicht in der Lage ist zu arbeiten.

„Als Arbeitgeberin profitiere ich definitiv davon, wenn ich auf meine Mitarbeiter:innen eingehe und sie als einzelne Individuen sehe. Damit schaffe ich Spielraum und kann auf einzelne Stärken expliziter eingehen.“

Communication is key!

Kleines Gedankenspiel: Ich bin glücklich in meinem ersten richtigen Job, aber es gibt ein Problem, das ich unbedingt mit meinen Vorgesetzten besprechen muss. Wie spreche ich das an?

Betsy spricht Klartext und listet mir prompt die wichtigsten Kriterien in puncto Kommunikation auf:

  1. Die Leitung muss in beide Richtungen offen sein. Es darf nicht sein, dass eine Partei nur redet, gleichzeitig aber keine Kritik annehmen möchte. Gleichzeitig ist es als Arbeitnehmer:in super wichtig anzumerken, was man für einen erfolgreichen Arbeitsalltag braucht. Davon profitieren schließlich alle.
  2. Respektvoller Umgang. Dazu muss ich nichts mehr sagen, oder?
  3. Die Tür muss offenstehen. Wenn ich nicht weiß, wohin ich mit meinem Problem gehen kann, dann wird sich alles aufstauen und im schlimmsten Fall das Team und damit den Arbeitsalltag negativ beeinflussen. Gerade Menschen in Führungspositionen müssen sich der Wichtigkeit dieses Aspekts bewusst sein.

Ich schreibe alles mit und die Gedanken gehen in die verschiedensten Richtungen bei dem vielen Input. Es ist, als hätte ich einen kleinen Ted Talk erlebt, der mich motiviert, mir direkt eine Stelle im Umkreis zu suchen und mein Leben komplett zu überdenken. Tue ich gerade das, was mich glücklich macht?

Ich lege Betsy meine Gedanken dar und hoffe auf eine konkrete Antwort darauf, wie ich meinen Weg finde – doch die gibt es natürlich nicht. Stattdessen hat Betsy wieder ein paar Ratschläge parat, die ich mir am liebsten einrahmen würde, damit sie sich in meinem Kopf manifestieren.

Ich würde jungen Menschen immer wieder sagen, dass sie niemals von Anfang an perfekte Arbeit liefern können – ganz egal, ob sie sich schon im dritten oder vierten Anstellungsverhältnis befinden. Man startet immer wieder von vorne. Man lernt mit der Zeit, stellt sich aber auch immer wieder neuen Herausforderungen. Man muss lernen bei sich zu bleiben und sich selbst zu fragen: Was bin ich mir eigentlich wert?

Betsy Peymann

Betsy kennt ihren Wert und hat sich für ein Leben in Magdeburg entschieden. Dabei war das anfangs gar nicht der Plan. „Ich habe erst so gegen Ende des Studiums gemerkt, dass Magdeburg mir Dinge bieten kann, die mir andere Städte einfach nicht bieten können.“ Damit meint sie nicht nur die günstigen Mieten, sondern auch die kurzen Wege mit dem Fahrrad, die Nähe zum Freundeskreis und die vielen Grünflächen, die sich durch die gesamte Stadt ziehen. „Ich bin auch ein bisschen aus Trotz geblieben. Magdeburg brauchte diese Eröffnung des Ladens mehr als andere Städte. Hierzubleiben war die beste Entscheidung.“

Lasst uns auflösen. Wieso muss denn jeder junge Mensch einmal falsch abgebogen sein, Betsy?

„Wenn du einmal bei einer Firma gearbeitet hast, die nicht zu dir passt oder im Privaten eine falsche Entscheidung getroffen hast, dann kannst du daraus lernen und für dich formulieren, was du eigentlich willst und was nicht. Lasst euch nicht in Watte packen, redet euch nicht raus und verlasst die eigene Komfortzone. Es lohnt sich, versprochen.“

Zusammenfassung
  • Du kannst nicht von dir selbst erwarten, dass du in einem neuen Job direkt 100% Leistung erbringst und das musst du auch nicht. Du darfst immer wieder dazulernen.
  • Mit Kommunikation im Arbeitsalltag geht alles leichter. Jede:r profitiert davon.
  • Egal wie viel Freude dir deine Berufung bereitet: Jeder Mensch braucht auch mal Pause von der Arbeit.
  • Lass dich auf Neues ein, ohne direkt das Handtuch zu werfen. Mach dich lieber deiner Werte bewusst und reflektiere dich und dein Handeln.
  • Nur wer die eigene Komfortzone verlässt, kann auch über sich selbst hinauswachsen.
  • Teamwork = Dreamwork. Trage zu einem positiven Arbeitsklima bei. Das wird dir und deinen Kolleg:innen der Arbeitsalltag um einiges erleichtern.
  • Denk nochmal darüber nach, was für wahnsinnig viele Möglichkeiten dir Magdeburg und Sachsen-Anhalt für ein glückliches (Arbeits-) Leben bieten.
  • Aus Fehlern lernt man. Immer.

Ihr habt richtig Bock bekommen, euch einen Job in Sachsen-Anhalt zu suchen? Dann findet ihr am 22. Juni 2022 euren neuen (Studi-) Job beim Open-Air Jobevent JOBS HERE!

Seid gespannt auf den nächsten Artikel und vielen Dank fürs Lesen!